Von geschützten Räumen zu geschützten Herzen – Inklusion als Sicherheitskonzept
Gastbeitrag der Kindergartenakademie für Arte Viva
Sicherheit in der Kita ist die Grundlage dafür, dass Kinder geschützt aufwachsen und gleichzeitig ihre Welt neugierig entdecken können. Dabei geht es nicht allein um stabile Möbel, Brandschutz oder gesicherte Türen – auch pädagogische Strukturen, klare Regeln und eine inklusive Haltung sind entscheidend.
Moderne Kindertageseinrichtungen stehen daher vor der Aufgabe, technische Sicherheitsmaßnahmen und pädagogische Konzepte zu verbinden. Dieser Artikel zeigt Dir, wie ein ganzheitliches Sicherheitskonzept aussieht, das alle Kinder gleichermaßen schützt und fördert.
Fundament der Kindersicherheit: Alternative Maßnahmen & rechtliche Grundlagen
Die Aufsichtspflicht in der Kita ist gesetzlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) verankert. Sie verpflichtet Dich, Kinder vor Gefahren in der Kita zu schützen, ohne sie dabei in ihrer Entwicklung unnötig einzuschränken. Das bedeutet: Es gilt, Risiken zu erkennen, Gefahren vorzubeugen und bei Bedarf sofort einzugreifen. Gleichzeitig sollen Kinder lernen, ihre Umwelt selbstbestimmt zu entdecken.
Dabei spielt auch der Versicherungsschutz eine Rolle. Kinder in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege sind in Deutschland über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. Das heißt: Passiert ein Unfall während der Betreuung, springt die Unfallkasse ein. Aber nur, wenn alle vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten wurden.
Bauliche und technische Maßnahmen in Kitas
Der erste Schritt zu einer wirklich sicheren Kindertageseinrichtung sind gut durchdachte Räume. Bauliche Standards sind in Deutschland klar geregelt – sowohl in den Landesbauordnungen als auch in den Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Zu den wichtigsten baulichen Sicherheitsfaktoren gehören:
- Kantenschutz in der Kita: Scharfe Tisch- oder Regalecken werden mit speziellen Schutzprofilen entschärft. So verhinderst Du Platzwunden und Stöße, die gerade bei kleinen Kindern immer wieder vorkommen.
- Klemmschutz an Türen: Kinderfinger gehören zu den am meisten gefährdeten Körperteilen. Ein zuverlässiger Klemmschutz verhindert Verletzungen.
- Sichere Möbel und Spielgeräte: Möbel müssen standfest, schadstofffrei und altersgerecht sein. Spielgeräte im Außenbereich dürfen keine Einklemmstellen aufweisen.
- Flucht- und Rettungswege: Alle Ausgänge müssen jederzeit frei zugänglich sein. Brandschutztüren und klar gekennzeichnete Notausgänge sind Pflicht.
- Sichere Außenanlagen: Zäune, Tore und Spielflächen müssen so gestaltet sein, dass Kinder das Gelände nicht unbeaufsichtigt verlassen können und gleichzeitig kein unbefugter Zutritt Dritter möglich ist.
Diese Maßnahmen kannst Du sofort umsetzen
Damit die Kita rundum sicher ist, kannst Du folgende Maßnahmen direkt ergreifen:
- Alle Türen mit Klemmschutz versehen
- Einen Kantenschutz an allen scharfkantigen Möbeln und Regalen anbringen
- Stolperfallen vermeiden: Kabel sichern, Teppiche fixieren, Treppen mit Geländern versehen
- Notausgänge und Fluchtwege regelmäßig kontrollieren
- Brandschutzmaßnahmen umsetzen: Rauchmelder, Feuerlöscher, Evakuierungspläne
- Außengelände sichern: Spielgeräte prüfen, Zaunanlagen regelmäßig warten
- Sicherheitsbegehungen gemeinsam mit Fachkräften für Arbeitssicherheit durchführen
Inklusive Pädagogik als aktiver Beitrag zur Sicherheit
Eine Kita wird erst durch das pädagogische Handeln wirklich sicher. Wenn Kinder klare Strukturen erleben, Regeln nachvollziehen können und Unterstützung bei individuellen Bedürfnissen erhalten, senkt das unmittelbar ihr Unfallrisiko. Eine inklusive Haltung wirkt also wie ein unsichtbares Schutznetz und ist Teil jeder vorausschauenden Prävention.
Besonders Kinder mit speziellen motorischen, sensorischen oder kognitiven Voraussetzungen profitieren davon. Anstatt sie auf ihre Einschränkungen zu reduzieren, werden sie aktiv eingebunden – und dadurch vor Überforderung und Risiken geschützt.
Praktische Beispiele aus dem Kita-Alltag
Diese Ansätze helfen Dir bei der Umsetzung:
- Strukturierte Tagesabläufe: Ein klarer Rhythmus schafft Orientierung und reduziert Stresssituationen.
- Visuelle Hilfen: Kindgerechte Piktogramme an Türen oder Symbolkarten im Morgenkreis machen Abläufe für alle Kinder verständlich.
- Einfache Sprache: Kurze Sätze, unterstützt durch Gestik, erleichtern die Kommunikation.
- Rituale: Feste Begrüßungen, gemeinsame Übergänge oder Abschlussrunden geben Sicherheit im Alltag.
- Partizipation: Kinder übernehmen kleine Aufgaben und lernen Verantwortung für ihre Gruppe und ihre eigene Gesundheit.
Manche Kinder profitieren von mehr visueller Unterstützung, andere brauchen gezielte Bewegungsangebote oder Ruhephasen. Auch die Zusammenarbeit mit der Kindertagespflege kann hier ein Gewinn sein, denn einheitliche Regeln und ein inklusiver Blickwinkel erleichtern Kindern den Übergang zwischen verschiedenen Betreuungsformen.
Verzahnung von Technik & Pädagogik in der Praxis
Eine sichere Kindertageseinrichtung entsteht durch die Kombination von guter Ausstattung und engagierten Erzieher:innen. Ein modernes Konzept setzt darauf, dass Sicherheitsmaßnahmen und pädagogische Haltung sich gegenseitig ergänzen. Das bedeutet:
- Technik unterstützt Pädagogik: Ein Tür-Klemmschutz verhindert Verletzungen – doch erst, sobald Du den Kindern erklärst, warum Türen vorsichtig genutzt werden müssen, entsteht echte Sicherheit.
- Pädagogik macht Technik wirksam: Ein abgesicherter Spielbereich entfaltet nur dann seinen vollen Wert, wenn Du den Kindern beibringst, die Regeln des Miteinanders einzuhalten.
So entsteht ein Schutzsystem, das nicht nur auf Gefahren reagiert, sondern diese von vornherein reduziert.
Best-Practice-Beispiele aus Deutschland
Es gibt bereits tolle Beispiele, die zeigen, wie Sicherheit in der Kita ganz selbstverständlich in den Alltag integriert werden kann:
- Projekt „Sicher spielen lernen“ in Hamburg: In einer städtischen Kita im Bezirk Altona entwickeln Kinder gemeinsam mit den Erzieher:innen eigene Sicherheitsregeln für den Garten. Sie lernen, warum bestimmte Bereiche abgesperrt sind, und verinnerlichen dadurch ein Bewusstsein für Risiken.
- Kombination von baulichen Lösungen und Ritualen in München: Eine Kita in Schwabing thematisiert Fluchtwege regelmäßig im Morgenkreis. So wissen auch die Jüngsten, wie sie sich im Notfall verhalten sollen.
- Partizipation als Schutzfaktor in Leipzig: In einer integrativen Kindertagesstätte in Leipzig-Plagwitz bestimmen Kinder mit, welche Regeln im Gruppenraum gelten. Das steigert nicht nur die Verbindlichkeit, sondern verhindert auch Konflikte, die zu Unfällen führen könnten.
Qualitätsstandards und Entwicklungsperspektiven
Damit Dein Konzept zukunftsfähig bleibt, kannst Du Dich an aktuellen Standards orientieren:
- Die Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) geben verbindliche Leitlinien zu Sicherheitsmaßnahmen.
- Viele Bundesländer haben zusätzlich eigene Vorgaben für Kindertageseinrichtungen, die regelmäßig angepasst werden.
- Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte sichern, dass neue Erkenntnisse zur Prävention direkt in den Alltag einfließen.
- Ein internes Sicherheitsmanagement mit klaren Abläufen, regelmäßigen Teamsitzungen und dokumentierten Prüfungen erhöht die Qualität dauerhaft.
So entwickelst Du Deine Einrichtung Schritt für Schritt weiter – immer mit dem Ziel, eine moderne, sichere Kindertageseinrichtung zu gestalten, die auf dem neuesten Stand bleibt.
Fazit: Sicherheit in der Kita ganzheitlich denken
Eine wirklich sichere Kindertageseinrichtung entsteht nicht allein durch Technik oder Pädagogik – sondern durch die bewusste Verbindung beider Faktoren.
Bauliche Sicherheitsmaßnahmen schaffen die physische Grundlage, während eine inklusive pädagogische Haltung den Alltag so gestaltet, dass Risiken gar nicht erst entstehen. Gemeinsam bilden sie ein modernes Schutzkonzept, das allen Kindern gerecht wird – unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen.
Damit dieses Konzept nicht nur auf dem Papier steht, sondern in Deiner Einrichtung gelebt wird, helfen Dir die folgenden Reflexionsfragen als Leitfaden:
- Welche baulichen Standards gelten aktuell für meine Einrichtung?
- Sind alle vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt – oder gibt es noch Lücken?
- Ist mein Team ausreichend geschult, um die Aufsichtspflicht in der Kita im Alltag zuverlässig wahrzunehmen?
- Wie stelle ich sicher, dass auch bei Umbauten oder Renovierungen alle Vorgaben eingehalten werden?
- Wie trägt meine pädagogische Haltung zur Prävention von Risiken bei?
- Werden alle Kinder – unabhängig von individuellen Voraussetzungen – gleichberechtigt in Abläufe eingebunden?
- Haben wir im Team klare Absprachen, um für eine sichere Kindertageseinrichtung zu sorgen?
- Verstehen die Kinder unsere Regeln wirklich oder brauchen sie visuelle Hilfen?
- Geben wir Eltern genug Informationen und Hilfe, um auch zu Hause Sicherheit zu fördern?
- Wie verbinde ich technische Sicherheitsmaßnahmen und Pädagogik in meiner Einrichtung konkret?
- Sind alle Teammitglieder eingebunden und übernehmen Verantwortung für eine sichere Kindertageseinrichtung?
- Welche Fortbildungen oder Informationen braucht mein Team, um neue Anforderungen umzusetzen?
- Wie kann ich Eltern stärker einbeziehen, damit sie unsere Haltung zur Prävention auch zu Hause fortführen?
- Welche Qualitätsstandards möchte ich in den nächsten Jahren erreichen?
Wenn Du diese Fragen regelmäßig im Team reflektierst und konsequent beantwortest, entwickelst Du Schritt für Schritt ein Sicherheitskonzept, das mehr leistet als reine Gefahrenabwehr:
Es schafft eine Kultur der Achtsamkeit, der Beteiligung und des Vertrauens – und macht Deine Kita zu einem Ort, an dem sich alle Kinder geschützt fühlen und zugleich frei entfalten können.
Die Kindergartenakademie
Wir unterstützen pädagogische Fachkräfte dabei, ihre Arbeit in Kitas sicher, inklusiv und zukunftsorientiert zu gestalten. Hinter uns steht ein Team mit über 30 Jahren Erfahrung in der beruflichen Bildung, das bereits mehr als 150.000 Fach- und Führungskräfte in ihrer Weiterentwicklung begleitet hat. Unsere Inhalte entwickeln wir in enger Zusammenarbeit mit Experten aus der frühkindlichen Pädagogik. So entstehen Seminare, Fernkurse und Teamfortbildungen, die fundiertes Fachwissen mit konkreten Praxistipps verbinden. Dabei haben wir aktuelle Entwicklungen, gesetzliche Vorgaben und die Herausforderungen im Kita-Alltag stets im Blick.
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